Ein Besuch in Hamburg

In Hamburg untersuchen wir die Siedlungserweiterung Oberbillwerder mit geplant ca. 16.000 Bewohner*innen im Rahmen des Projekts „Siedlungserweiterungen in Zeiten der Reurbanisierung“. Siedlungsgeschichtlich schließt das Vorhaben an die neueren Erweiterungen in Neuallermöhe an. Auf unserem Besuch vor Ort führten wir daher zunächst Gespräche mit Vertreter*innen der IBA-Hamburg und der Freien und Hanse-Stadt Hamburg zum Projekt Oberbillwerder, an die sich eine Erkundung unsererseits durch Neuallermöhe mit Blick auf die Flächen von Oberbillwerder anschloss.

Gespräche zur Planung

Das erste Gespräch fand mit der Projektkoordinatorin Sabine de Buhr von der IBA-Hamburg statt, die eine ausführliche Einführung in den Ablauf der Planung und die Projektentwicklung hin zur Siedlungsplanung für Oberbillwerder gab[1]. Das anschließende Gespräch mit de Buhr drehte sich um Besonderheiten in der Planung von Oberbillwerder. Sie stellte heraus, dass die Planungskoordination durch die städtische Entwicklungsgesellschaft IBA-Hamburg organisiert werde und die gesamte Fläche im Eigentum der Stadt stehe, bei der auch umfassende Planungskompetenzen z. B. hinsichtlich der Formen der Bautypen und der Vergabe liegen, sie könne damit die Verteilung von Nutzungen im Quartier mitbestimmen[2]. Die Entwicklungsgesellschaft strebe eine sozialökonomische Mischung an, in der unter anderem auf Ebene der Baufelder die Nutzungen räumlich ineinander verzahnt werden. So soll z. B. die Bebauung in geschlossener Fassadenfront mit unterschiedlicher Höhe zur Straße hin ausgerichtet werden[3].

Im direkten Übergang schloss sich das Gespräch mit Jan Smith von der Abteilung Integrierte Sozialplanung und Stadtteilentwicklung beim Fachamt für Sozialraummanagement Bergedorf an. Herr Smith erklärte, warum und wie in Hamburg die Sozialplanung in Planungsprozesse eingebunden wird. Aufgrund von gesellschaftlichen Ansprüchen an und Erfahrungen zu sozialen Entwicklungen in Hamburger Siedlungen begleite das Amt für integrierte Sozialplanung die Stadtplanung in der Freien und Hansestadt. Die Prognosen basierten auf Erfahrungswerten und Sozialdaten für Hamburg, die gemittelt auf zukünftige Siedlungserweiterungen umgelegt würden. Die Prognose betrifft damit neben den Daten auch die zugrundeliegenden Definitionen wie z. B. die Bestimmung sozialer Gruppen und Problemlagen, auf die eine vorausschauende Sozialplanung in der Siedlungsentwicklung reagieren könne. Dieses Vorgehen, das an Definitionen und Daten aus der Vergangenheit orientiert ist, fällt damit tendenziell ‚konservativ‘ und unspezifisch aus, solle aber durch die zeitliche Staffelung der Programme auf aktuelle Phänomene und gesellschaftliche Entwicklungen vor Ort (progressiv) reagieren können[4]. Die Sozialplanung in der Siedlungsentwicklung betreffe neben der harten Infrastruktur wie Kindergärten, Schulen, Behinderten- und Senioren-Einrichtungen auch die weiche Infrastruktur, die beispielsweise in der Jugend- und Sozialarbeit realisiert werde. Eine Besonderheit, die beide Formen der Infrastruktur verbinden könnten, stellen in Oberbillwerder die geplanten Mobilitätshubs dar, in deren Erdgeschossen soziale Einrichtungen untergebracht werden sollen.

Spaziergang durch Neuallermöhe

Vom Hauptbahnhof Hamburg aus erreichten wir den S-Bahnhof Allermöhe nach 15 Minuten Fahrtzeit in Richtung Süden zunächst durch Gewerbegebiete, später zwischen landwirtschaftlich genutzten Flächen. Der erste Blick am S-Bahnhof führte Richtung Osten über die heute agrarisch genutzten Flächen, auf denen die Siedlungserweiterung Oberbillwerder[5] entstehen soll. Plakate deuten auf den lokalen Widerstand gegen diese Siedlungserweiterung und Wahlplakate, die sich je nach Partei für oder gegen das Projekt aussprechen, zeigen, dass Oberbillwerder zu einem wichtigen politischen Thema in der Kommunalwahl gediehen ist.

Abb. 1: Widerstand gegen das Baugebiet Oberbillwerder. (Foto: Florian Bellin-Harder, 2024)

Die Planung sieht vor, die Bevölkerungsgröße von Neuallermöhe entlang der Bahnlinie zu spiegeln, wodurch der S-Bahnhof, der bislang am Siedlungsrand liegt, in eine zentrale Position gerückt werden würde. An der S-Bahnstation liegt der Fleetplatz, der als zentraler Ort zur Versorgung für den täglichen Bedarf sowie sozialer und medizinischer Infrastruktur dienen soll, die sich hier für die Bewohner*innen von Neuallermöhe-West konzentriert. Auf diese Versorgung sind Menschen im Quartier ohne motorisierte Fortbewegungsmöglichkeiten angewiesen, worauf die meist jungen als auch alten und anscheinend ärmeren Menschen sowie der hohe Anteil von Frauen auf dem Platz deutet.

Abb. 2: Karte zu Neuallermöhe-West, ohne Maßstab (Quelle: OpenStreetMap, 2024)

Neuallermöhe-West

Nach dem preiswerten Mittagessen in einem Restaurant, das einer sozialen Einrichtung angeschlossen ist, startete unsere Erkundung durch zunächst Neuallermöhe-West. Neuallermöhe-West ist in den 1990er Jahre nach dem Konzept einer Aktiven Stadt gebaut worden, in der Bildung, Sport und Bewegung entwickelt werden sollten. Der Siedlungsbau vollzog sich nachfragebedingt in zwei Bauphasen zuerst Anfang der 1990er Jahre entlang der Bahnlinie und dann in den 2000er Jahren. Dominiert in der ersten Bauphase der Geschosswohnungsbau, so tritt in der zweiten Phase die Bebauung mit Einzel- und Reihenhaus hervor. Der Siedlungsstil entspricht der Bauzeit mit Anklängen an die konstruktivistische Postmoderne (Lorberg/Bellin-Harder 2022).

Abb. 3: Grüne Mitte in Neuallermöhe-West. (Foto: Florian Bellin-Harder, 2024)

An der Diagonalen, die eine große offene Grünfläche schneidet, diskutierten wir über städtebauliche Zeichen und darüber, wie sie von Einwohner:innen wahrgenommen werden. Besondere Aufmerksamkeit erweckte hier vor allem die Grünfläche und deren Wahrnehmung als ‚leere Mitte‘. Aus Sicht der Freiraumplanung ergab sich die Frage nach der Gestaltung und Pflegbarkeit der Vegetation einerseits und für die Stadtplanung die Erwägung, ob man sie frei lassen, umgestalten oder bebauen sollte andererseits. Das hoch anstehende und vielfach in Szene gesetzte Wasser wurde offenbar von der Grünplanung als landschaftlichen Eigenart interpretiert, die das städtebauliche Image von Neuallermöhe prägen sollte. Im räumlichen Zentrum von Neuallermöhe-West stehen allerdings Bildungseinrichtungen und große Sportplätze, die auf das Leitbild Aktive Stadt hin geplant wurden, jedoch außerhalb der schulischen und vereinsbezogenen Veranstaltungen wenig genutzt zu werden scheinen. Wir hatten den Eindruck, dass die Siedlung über deutlich mehr öffentliche Fläche verfügt, als sie real in Gebrauch nehmen kann. Einen Überschuss an ungenutzten Freiräumen zu haben, ist für den Gebrauch und Interpretationsspielräume sinnvoll, kann aber ab einem bestimmten Übermaß zur kommunalen Last werden. Hier bleibt zu überlegen, nach welchen Parametern und Indizien z. B. in der Vegetationsentwicklung sich das richtige Maß ermitteln lässt.

Abb. 4: Reihenhäuser mit Vorgärten individueller Nutzung. (Foto: Frank Lorberg, 2024)

Was die private Flächenverfügung betrifft, so betrachteten wir die unterschiedlichen Bebauungsformen wie Geschosswohnungsbau mit Gemeinschaftsgrün und kleinparzelliertes Wohneigentum bei Einzel- und Reihenhäusern. Wir konnten beobachten, dass die Nutzungen und Gestaltungen in den Vorgärten häufig parzellenweise wechselten und offenbar den Bedürfnissen und Vorlieben der Bewohner*innen folgten. Zugleich ließ sich feststellen, dass sie aber nicht vollkommen beliebig sind, sondern allem Anschein nach auch bestimmten Konventionen folgen. Gerade der Verzicht auf klare Grenzmarkierungen in der Ausstattung von Vorhöfen bzw. Vorgärten zwingt dazu, stärker auf Spuren von Aneignungen, sei es in der Pflege oder anhand von zurückgelassenen Gegenständen zu achten, wenn noch individuelle Handlungen identifiziert werden sollen. Die Diskussion über Stadt- und Freiraumplanung umfasst insofern neben rechtlichen, sozialen und materiellen auch symbolische Aspekte der materiellen Ausstattung, die unterschiedliche Bedeutungen im Verhalten von Menschen, ihrer Lebensweise und damit auch in der Qualität von Siedlungen einnehmen können.

Abb. 5: Anhand von hinterlassenen Spuren können abwesende Handlungen erschlossen werden. (Foto: Florian Bellin-Harder, 2024)

Biodiversität und Freiraum

Zur Ermittlung von Biodiversität in Siedlungserweiterungen bezieht sich das Teilprojekt Biodiversität und Freiraumplanung im Stadtteil auf dessen Vegetationsausstattung. Ausgehend von der Forschungsthese, dass in intensiv genutzten Siedlungen mit der Nutzungsvielfalt die Vegetationsvielfalt zusammenhängt, wird für typische Freiräume und deren Vegetation anhand beispielhafter Fälle die Arten-Biodiversität kartiert. Der Zusammenhang ließ sich, wie zuvor beschrieben, schon während unseres Spaziergangs in Neuallermöhe beobachten, trat dann in dem Grünzug am See zwischen Neuallemöhe-West und -Ost besonders deutlich hervor. Der Freiraum erfüllt für alle Bevölkerungsgruppen der Stadtteile ergänzende Angebote und Nutzungsmöglichkeiten unter anderem durch Anteile (Heinemann & Pommerening sprechen von „dysfunktionalen Anteilen“ 1989), die der jeweiligen Funktionszuweisung im Gebrauch, den die Menschen von ihnen machen, noch harren. Diese Qualität liegt tatsächlich in der großen Dimensionierung des Grünzugs begründet. Aus dieser ergibt sich einerseits ein Pflegeproblem, weil der Nutzungsdruck (durch Laufen, Spielen, Radfahren) nicht ausreicht, die Vegetationsentwicklung im Freiraum zu stabilisieren. Intensive Nutzung würde eine gezielte ergänzende bzw. unterstützende Grünflächenpflege rechtfertigen. Tatsächlich ist die Pflegeintensität nutzungsangemessen gering. Auch wenn im zu viel angebotenen Platz ‚Renaturierung‘ und ‚Blühwiesen‘ untergebracht werden können und ideologische Potenziale für die Etablierung neuer Bilder enthalten sind, so bleiben die Spielräume für die Nutzer*innen ebenso wie für anderen Lebewesen in den Freiräumen erhalten, weil die Pflege intensiv genug ausfällt, um Verbuschungen oder starke Brennnesselbildung weitgehend zu verhindern. Das fast ausschließlich praktizierte Mulchen steht allerdings der Vegetations-Diversität entgegen, die mit den Blühwiesenanteilen eigentlich erreicht werden soll (vgl. Bellin-Harder et al. 2024). Der See als weiterer wichtiger Freiraum enthält Qualitäten als Ort für Nutzungen und zugleich als Habitat in der Verzahnung von Wasser, Wald und Grünfläche. Die vielfältige Nutzung durch die Bewohner*innen trägt dazu bei, unterschiedliche Lebensräume für Pflanzen und Tiere zu schaffen. Nebenher ergeben sich für die Bewohner*innen mannigfache Gelegenheiten Lebewesen zu begegnen und Naturaspekte zu erfahren (Brämer 1996). Anstelle von spezialisierten Naturerfahrungsräumen kann hier Naturerfahrung nebenbei im Alltag z. B. von heranwachsenden Kindern im abenteuerlichen Spiel oder von Jugendlichen im Schaffen von Rückzugsorten erlebt werden und ein vertrauter und angemessener Umgang mit Pflanzen und Tieren entwickelt werden. An Stellen mit realisierter Nutzung sollte die Pflege der Erhaltung dieser Nutzungsqualitäten noch gezielter nachkommen, was wir z. B. am Strand und den stärker wüchsigen Uferböschungen nicht immer beobachten konnten.

Abb. 6: See mit Sandstrand in der landschaftlichen Grünanlage zwischen den Siedlungsteilen Neuallermöhe. (Foto: Frank Lorberg, 2019)

Neuallermöhe-Ost

Neuallermöhe-Ost wurde in den 1970er Jahren nach dem Leitbild der Ökologischen Siedlungserweiterung geplant und im folgenden Jahrzehnt im Stil der historisierenden Postmoderne errichtet. Hier stand das familienfreundliche Wohnen in einer verkehrsberuhigten Siedlung am Wasser im Vordergrund (Lorberg/Bellin-Harder 2022).

Abb. 7: Karte zu Neuallermöhe-Ost, ohne Maßstab (Quelle: OpenStreeMap, 2024)

Im Kontrast zu Neuallemöhe-West fällt in Neuallermöhe-Ost neben der postmodernen Architektur und dem Leitbild ökologischer Siedlungserweiterung der Versuch auf, den automobilen Verkehr zu beruhigen, der auf eine verbaute Verkehrsinfrastruktur hinausläuft. Für Autos wird die Siedlung über drei Straßenstränge erschlossen, die nicht miteinander verknüpft sind und daher in geschlossene Quartiere münden. Das Ziel, die Siedlung für Autofahrer*innen unattraktiv zu machen, läuft bei Autobesitzern allerdings auf längere Wegestrecken und die Konzentration auf Hauptzugangsstraßen hinaus. Wir hatten den Eindruck, dass die Verkehrsberuhigung in Neuallermöhe-Ost nicht nur nicht funktioniert, sondern weitere für das Leben im Quartier negative Folgen hat, sich z. B. weniger gut auf die Einkaufsmöglichkeiten im Quartier auswirkt, die sich am Grachtenplatz befinden und allem Anschein nach nicht rege genutzt werden.

Abb. 8: Zeilenbauten mit Gemeinschaftsfläche. (Foto: Frank Lorberg, 2024)

Die Bebauung wird vom Zeilenbau an den Haupterschließungsachsen dominiert, welcher neben Zugängen zur Straße auch Erschließungen über Innenhöfe aufweist. Zu den Siedlungsrändern hin herrschen Reihenhäuser vor und am südlichen Quartiersende stehen Einzelhäuser bis hin zu Villen auf großen Grundstücken. Schon in der Verteilung der Bebauung deutet sich eine soziale Segregation der Siedlung an, die auch nicht durch die Betonung des Wasserbezugs in der gesamten Siedlung kaschiert werden kann, ist doch das Grundstück mit Boot an den Grachten auffällig ungleich verteilt wie auch die Verkehrsbelastung entlang des sozialen Wohnungsbaus. Am zentralen Zugang vom Bahnhof Nettelnburg nach Neuallermöhe-Ost (Kreuzung von Ebner-Eschenbach-Weg und Rahel-Varnhagen-Weg) befindet sich das Bürgerhaus mit sozialen Einrichtungen. Auf die sozialen Probleme im Stadtteil wurde schon 2011 mit einem Gutachten reagiert.

In dem Gutachten werden u. a. Angsträume benannt, die mit Verwahrlosung verbunden werden, die in liegengebliebenem Müll und ungepflegter Vegetation gesehen werden (Hamburg 2011). Die Vegetation auf den großen Grünflächen innerhalb der Siedlung erscheint im Verhältnis zur ursprünglichen Planung nicht ausreichend gepflegt zu werden und die Vegetationsentwicklung hin zu Verbuschungen hat erkennbar eingesetzt. Die Intensität der Vegetationspflege entspricht nicht der Dimensionierung der Grünräume und deren Grüngestaltung[6]. Was am See noch funktionierte, dass durch die zurückgenommene Pflege neue Qualitäten entstehen können, gelingt innerhalb der Siedlung nicht. Hier sind die Bewohner*innen in ihrem Alltag und unmittelbaren Wohnumfeld mit der die Nutzung verhindernden Vegetationsentwicklung konfrontiert. Auf den Grünflächen beginnt die Siedlung zu verbuschen und zu verwalden, wodurch sie weniger überschaubar, Passagen undurchsichtig werden und für bestimmte Nutzer*innen Angst erzeugend ausfallen. Auf sozialer, ästhetischer und vegetabiler Ebene entstehen in der Siedlung Räume, die die Aufenthaltsqualität vor allem bei Nacht herabsetzen und das Image des Stadtteils in der Öffentlichkeit verschlechtern.

Abb. 9: Fortgeschrittene Vegetationsentwicklung im Straßenbegleitgrün. (Foto: Frank Lorberg, 2024)

Vor der Rückfahrt blickten wir an der S-Bahnstation Nettelnburg nach Bergedorf West, einer Hochhaussiedlung aus den frühen 1970er Jahren, die dem städtebaulichen Leitbild der Urbanität durch Dichte folgte. Neuallermöhe-Ost kann als unmittelbare Reaktion auf die sozialen Probleme dieser Siedlung verstanden werden, die wie gezeigt mittlerweile eigene Probleme zu bewältigen hat.

Abb. 10: Bergedorf West Leitbild Urbanität durch Dichte. (Foto: Frank Lorberg, 2024)

Resümee zum Spaziergang

Angesichts der Entstehung von vegetationsbedingten Angsträumen in Neuallermöhe-Ost können künftige Probleme in Neuallermöhe-West vorausgesehen werden. Wo in Neuallermöhe-Ost die Vegetationspflege schon seit längerer Zeit reduziert wurde und dementsprechend die Vegetationsentwicklung der groß dimensionierten Grünflächen vorangeschritten ist, können Schlüsse für die Vegetationspotenziale auf der zentralen Grünfläche in Neuallermöhe-West erwogen werden, die sich in einer vergleichbaren innerstädtischen Lage befindet. Auf den ersten Blick bieten sich vier Entwicklungsmöglichkeiten, um die Entstehung ähnlicher Angsträume durch die fortgeschrittene Vegetationsentwicklung zu vermeiden. Die zur Stabilisierung der aktuellen Vegetation notwendige Pflegeintensität könnte angepasst werden und so eine Verbuschung verhindern. Die verbuschenden Grünflächen könnten auch teilweise bebaut und in die Siedlung integriert werden. Ebenso könnte die Fläche teilweise zur intensiveren Bodennutzung in Form von Kleingärten oder Grabeland angeboten werden. Und schließlich ließe sich noch ein separater Freiraum entwickeln, der ähnlich wie die Fläche am See z. B. nachts gemieden werden würde, was ein neues gut beleuchtetes Wegenetz zur fußläufigen und Fahrrad tauglichen Erschließung der nördlichen und südlichen Siedlungsteile voraussetzte.

Neuallermöhe ist ein Beispiel, an dem sich zeigen lässt, wie die genaue und wiederholte Beobachtung von Freiräumen, deren Ausstattung, Nutzung und Entwicklung für die Siedlungsanalyse und -planung fruchtbar eingesetzt werden kann.

Endnoten:

[1]Dankenswerter Weise stellten uns sowohl Frau de Buhr als auch Herr Smith die Präsentationen zu ihren Vorträgen zur Verfügung.

[2]Oberbillwerder entsteht unter ähnlichen stadtplanerischen Bedingungen wie die Sedlungserweiterung ‚Rieselfeld‘ in Freiburg, das in den 1990er Jahren entwickelt wurde. Dazu berichtete Herr Siegl aus Freiburg, der diese Siedlungsentwicklung begleitet hatte, dass der Verwertungsdruck der Politik in den ersten zwei Jahren hoch gewesen sei. Nach der Erfahrung, dass die Grundstücke trotz Nutzungsauflagen vermarktbar waren, wäre der politische Druck aber merklich gesunken. Nach zehn Jahren habe die gesamte Siedlung in der angestrebten Nutzungsmischung gestanden. (Spaziergang durch Freiburg Rieselfeld am 11.07.2024.)

[3]In einer früheren Entwurfsfassung, die im Masterplan von 2019 publiziert wurde, war eine offene Blockbebauung mit Bebauung von Innenhöfen geplant (dazu kritisch Lorberg/Bellin-Harder 2022).

[4]Diesen Bezug auf Erkenntnisse aus der Vergangenheit teilt die Sozialplanung mit jeder an belegbaren Erkenntnissen orientierten Planung, die als solche zugleich zukunftsorientiert ist.

[5] Im Masterplan zu Oberbillwerder finden sich viele Visualisierungen der zukünftigen Siedlung und der geplanten Bebauung.

[6] Während einer Kartierung im September 2024 haben wir unter anderen auch Orte aufgesucht, deren Verbuschung wir 2020 fotografisch dokumentiert hatten (Lorberg/Bellin-Harder 2022), die aber 2024 in einem gepflegteren Zustand sind. Dies Phänomen zeigt die methodische Notwendigkeit von wiederholten Beobachtungen, weil bewohnte Quartiere sich verändern.

Literatur:

Brämer, R. (2006): Natur obskur. Wie Jugendliche heute Natur erfahren. München, Oekom-Verlag.

Hamburg (2011):  Neuallermöhe-Ost und –West. Sozialraumbeschreibungen. Hg. Bezirksamt Bergedorf. Fachamt Sozialraummanagement Jugendhilfe- und Sozialplanung. März 2011. Internet-Quelle (Webzugriff 12.09.2022): http://www.oberbillwerder-hamburg.de/wp-content/files/3.2_Neuallermohe-Ost_und_West_Slozialraumbeschreibungen.pdf

Hamburg (2019): Masterplan Oberbillwerder. Internet-Quelle (Webzugriff 12.09.2022): http://www.oberbillwerder-hamburg.de/?dl_id=72

Lorberg, F. & Bellin-Harder, F. (2022): Natur in der Neuen Suburbanität. Working Paper No. 3 September 2022. Universitätsbibliothek Kassel, KOBRA. doi:10.17170/kobra-202209196869

Abbildungen:

OpenStreetMap: Abb. 2, 7. Florian Bellin-Harder: Abb. 1, 3, 5. Frank Lorberg: Abb. 4, 6, 8-10.